News 27.04.2016 - Auszeichnungen - Feierlichkeiten - Hamburg

Im Jubiläumsjahr prämiertes Projekt aus 2008/2009: Europa macht (Gehörlosen-)Schule

Siglinde Pape aus Frankreich und Tiziana Stefanizzi aus Italien, 2008/2009 in Hamburg

Als ich von dem Projekt gehört habe, war mir gleich klar, dass mit solch einer Idee, die keine geografischen Grenzen kennt, bestimmt auch sprachliche Barrieren auf interessante Weise zu überwinden sein würden. „Europa durch Austausch erleben“, das sollte nicht nur den Regelschulen vorbehalten sein, denn die europäische Vielfalt hat viele Gesichter, von denen wir keine ausgrenzen wollen. Vor einem halben Jahr war ich in der Hamburger Gehörlosengemeinschaft sehr herzlich aufgenommen worden und habe dort die Deutsche Gebärdensprache (DGS) kennenlernen dürfen. Nun war ich also an der Reihe, der jüngeren Generation etwas zurückzugeben und ihr unsere Gehörlosenkultur und die französische Gebärdensprache, die LSF, näher zu bringen. Da hier im Studiengang „Gebärdensprache“ noch eine andere Erasmus-Studentin aus Italien war, haben wir auch gleich die Gelegenheit genutzt, um den Ländervergleich etwas zu erweitern. An zwei Projekttagen wollten wir unseren jeweiligen Klassen einen kleinen Überblick über unsere Länder geben, ohne uns jedoch dabei auf Landkarten, Geschichten und Bräuche im üblichen Sinne zu beschränken. Wir wollten den Schülern von dem berichten, was sie direkt bewegt und interessiert. Also haben wir ihnen einen kleinen Ausflug in die italienische und französische Gehörlosenwelt vorgeschlagen: Neben einer Einführung in die beiden romanischen Lautsprachen (die bei genauem Hinsehen gar nicht mehr so schwer erscheinen, weil vieles gemeinsam ist und sich mit ein paar einfachen Tricks spielerisch erraten lässt) haben wir deshalb auch die jeweiligen Gebärdensprachen vorgestellt. Da unsere Schule eine bilinguale Ausrichtung hatte, recherchierten wir gemeinsam, wo es in Frankreich und Italien ähnliche Schulen gibt, und dann haben sich die Schüler angeschaut, wie der Schulalltag für ihre Kameraden dort aussieht. Auch in einige für die Gehörlosengemeinschaft wichtige Persönlichkeiten, Daten und Institutionen gaben wir einen kurzen Einblick. Spielerisch und praktisch wurde das Ganze dann am Ende noch mit einer kleinen Stationenwanderung und einem gegenseitigen Bekochen abgerundet. Für die Vorführung auf dem Europamarkt schließlich haben wir den Liedklassiker „Sur le Pont d’Avignon“ aus dem Französischunterricht kurzerhand in die französische Gebärdensprache übertragen und einstudiert. In DGS zu unterrichten war eine gewaltige Herausforderung, hat aber dank der Bereitschaft der Kinder und der Unterstützung der Lehrerinnen besser geklappt, als ich mir je erhofft hatte. Es war eine bereichernde Erfahrung auf beiden Seiten und ich freue mich, dass wir ein wenig die Neugier auf Deutschlands Nachbarn jenseits von Rhein und Alpen wecken konnten. Wenn ich nun abschließend noch einen Wunsch frei hätte, dann wäre es der, dass dies vielleicht nur der erste Grundstein zu einem größeren Projekt sein soll, damit die Gehörlosenschulen sich ebenso vernetzen, wie die anderen städtischen Schulen auch – Sprachenvielfalt ist auch Gebärdensprachvielfalt!

Siglinde Pape